Risikobewertung gemäß Art. 28 DSGVO für den Einsatz eines US-Cloud-Anbietern

Risikobewertung gemäß Art. 28 DSGVO für den Einsatz eines US-Cloud-Anbietern
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Die nachfolgende Risikoanalyse stützt sich auf ein weiterhin maßgebliches Rechtsgutachten der Universität zu Köln vom März 2025.

1. Ausgangslage und Scope

Geprüft wurde der Einsatz von US-Cloud-Service-Providern zur Speicherung oder Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Anbieter unterliegen als US-Unternehmen den extraterritorialen Zugriffsbefugnissen von US-Behörden.

Die Bewertung nach Art. 28 DSGVO erfolgte hinsichtlich:

  • Sicherheit der Verarbeitung
  • Zugriffsrisiken
  • Rechtskonformität
  • Durchsetzbarkeit der Betroffenenrechte
  • Wirksamkeit technischer und organisatorischer Maßnahmen (TOMs)

2. Identifizierte Risiken

2.1 Risiko: Extraterritorialer Datenzugriff durch US-Behörden

Beschreibung: US-Rechtsgrundlagen wie Section 702 FISA, SCA und der CLOUD Act ermöglichen US-Behörden den Zugriff auf Daten, unabhängig vom Speicherort, sofern der Provider in den USA ansässig oder kontrolliert ist.

Wesentliche Erkenntnis aus dem Gutachten: Die Zugriffstatbestände sind weit, gerichtlicher Rechtsschutz eingeschränkt und Provider sowie deren EU-Tochterunternehmen müssen Daten herausgeben.

Auswirkung:

  • Offenlegung personenbezogener Daten ohne DSGVO-konforme Rechtsgrundlage
  • Verletzung von Art. 5, 6, 32 und 44–49 DSGVO
  • Erhöhtes Risiko für Bußgelder, Vertragsverletzungen und Reputationsschäden

Eintrittswahrscheinlichkeit: Hoch

Schadenshöhe: Hoch

Risikobewertung: kritisch

2.2 Risiko: Unzureichendes Schutzniveau gemäß EuGH

Beschreibung: Der EuGH hat bereits zweimal festgestellt, dass US-Überwachungsgesetze kein der EU gleichwertiges Datenschutzniveau bieten (Schrems II).

Aktueller Stand: Der im DPF enthaltene Rechtsschutz ist fragil; Section 702 FISA wurde nicht substantiell eingeschränkt.

Auswirkung:

  • Datenübermittlungen in US-Clouds können nicht wirksam legitimiert werden
  • Standardvertragsklauseln reichen nicht aus
  • Art. 46 DSGVO Anforderungen nicht erfüllbar

Eintrittswahrscheinlichkeit: Hoch

Schadenshöhe: Hoch

Risikobewertung: kritisch

2.3 Risiko: Keine wirksamen Rechtsbehelfe für Betroffene

Beschreibung: Europäische Unternehmen und deren Kunden haben keine effektiven Rechtsmittel gegen Herausgabeanordnungen (z. B. keine standing rights im SCA).

Auswirkung:

  • Verletzung der Art. 12–23 DSGVO (Betroffenenrechte)
  • Transparenzverpflichtungen praktisch nicht erfüllbar

Eintrittswahrscheinlichkeit: Mittel bis hoch

Schadenshöhe: Hoch

Risikobewertung: hoch

2.4 Risiko: Umgehung technischer Maßnahmen (EO 12.333)

Beschreibung: EO 12.333 erlaubt US-Diensten die Datenerhebung auch ohne Mitwirkung des Cloud-Anbieters, z. B. durch Ausnutzen von Netzwerk-Schwachstellen.

Auswirkung:

  • Unterwanderung kryptographischer oder organisatorischer Maßnahmen
  • „Unbemerkte“ staatliche Zugriffe nicht ausschließbar

Eintrittswahrscheinlichkeit: Mittel

Schadenshöhe: Hoch

Risikobewertung: hoch

2.5 Risiko: Technische Selbstabschottung (Zero-Knowledge) nicht anerkannt

Beschreibung: Selbst wenn der Anbieter technisch keinen Zugriff hat, kann US-Recht (SCA, Prozessrecht, Spoliation-Prinzip) Aufbewahrungspflichten auslösen und Sanktionen verhängen, wenn Daten nicht verfügbar sind.

Auswirkung:

  • Zero-Knowledge liefert keinen ausreichenden Rechtsrahmen
  • Keine Garantie, dass Herausgabeanordnung verhindert werden kann

Eintrittswahrscheinlichkeit: Mittel

Schadenshöhe: Mittel bis hoch

Risikobewertung: mittel–hoch

3. Gesamtbewertung

Kriterium

Bewertung

Vereinbarkeit mit Art. 28 DSGVO

nicht erfüllt

Angemessenheit der TOMs

nicht gewährleistet

Risikolevel

kritisch

Restrisiko nach Maßnahmen

weiterhin hoch, strukturell bedingt

Gesamturteil:

Der Einsatz eines US-Cloud-Anbieters zur Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach aktueller Rechtslage nicht DSGVO-konform zu realisieren. Selbst umfangreiche technische Maßnahmen können das Risiko nicht auf ein akzeptables Niveau senken.

4. Empfohlene Maßnahmen zur Risikoreduktion

4.1 Strategische Maßnahmen

  • Umstieg auf EU-basierte Cloud-Provider ohne US-Konzernbindung.
  • Aufbau von datenminimierten Architekturen, pseudonymisiert und dezentral.

4.2 Technische Maßnahmen (wenn Nutzung unvermeidlich)

  • Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit kundenseitig verwalteten Schlüsseln
  • Strenge Datenklassifizierung (kritische Daten nicht in die US-Cloud)
  • Differential Privacy / Tokenisierung / Anonymisierung

4.3 Organisatorische Maßnahmen

  • Data Protection Impact Assessment (DSFA) verpflichtend
  • Vertragliche Regelungen zur Offenlegung von behördlichen Anfragen
  • Strenge Überwachung von Subprozessoren
Selbst bei Umsetzung aller Maßnahmen bleibt das Risiko nicht akzeptabel, da staatliche Zugriffe nicht abwendbar sind.

Rechtsgutachten der Universität Köln vom März 2025

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