Die „National Security Strategy“ der USA ist ein Warnsignal für Europa

Die „National Security Strategy“ der USA ist ein Warnsignal für Europa
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Die neue sogenannte „National Security Strategy" der USA ist heftig und entfaltet in Europa eine erstaunliche Nebenwirkung: Sie liefert Narrative, die wieder einmal hierzulande politische Debatten prägen, obwohl sie kaum faktenbasiert sind. Migration als Risiko, Klimapolitik als Ideologie, Europa als Beispiel des Niedergangs. Das sind einfache Storylines, die populistischen Bewegungen enorm in die Hände spielen.

Doch während Europa über diese Erzählungen der USA diskutiert, übersieht es den eigentlichen Kern: Die USA und China bauen ihre technologische Macht weiter aus. Europa verliert dabei systematisch Handlungsspielraum.

Für die Tech-Community ist das mehr als ein politischer Diskurs. Es ist ein strukturelles Risiko für Innovationsfähigkeit, Datensouveränität und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.

Digitale Souveränität ist kein „Nice-to-have“ sondern das Fundament europäischer Resilienz

In praktisch allen Schlüsseltechnologien entsteht gerade eine globale Zweiteilung:

  • Cloud-Infrastruktur
  • KI-Plattformen
  • Halbleiterproduktion
  • Identitätssysteme
  • Kommunikationsnetze
  • Datenmärkte

Die USA und China definieren Standards, Ökosysteme und Plattformregeln. Europa nutzt sie lediglich und verliert damit die strategische Kontrolle über das eigene digitale Rückgrat.

Wer nicht kontrolliert, wie Daten verarbeitet, gespeichert und genutzt werden, hat langfristig keinen Einfluss auf wirtschaftliche und demokratische Prozesse.

Der Rückstand Europas ist nicht nur technisch sondern geopolitisch.

Warum die Tech-Community Europas jetzt in der ersten Reihe steht

Narrative beeinflussen politische Prioritäten. Und politische Prioritäten bestimmen:

  • Forschungsbudgets
  • Förderprogramme
  • Regulatorische Maßnahmen
  • Infrastrukturprojekte
  • Industriekooperationen

Wenn die öffentliche Debatte von Angst-Stories dominiert wird, sinkt die Aufmerksamkeit für die wirklich kritischen Themen:

  • europäische Cloud-Souveränität
  • interoperable KI-Architekturen
  • offene Standards
  • europäische Datenräume
  • digitale Identitäten
  • Quanten- und Halbleiterinitiativen

Nicht nur die Tech-Community muss deshalb selbst stärker erzählen, sondern vielmehr alle europäischen Akteure entlang der digitalen Wertschöpfungskette: Von Forschungseinrichtungen über Start-ups und Industrieunternehmen bis hin zu politischen Institutionen. Wir müssen ein gemeinsames Zukunftsnarrativ etablieren, das Europas digitale Souveränität als strategische Kernaufgabe definiert und den öffentlichen Diskurs endlich von der Reaktion in die Gestaltung führt.

Wir müssen nicht erzählen, warum Europa gefährdet ist sondern welche Zukunft möglich ist, wenn technologische Abhängigkeiten reduziert werden.

Was Europa jetzt strategisch tun muss

  1. Eigene Hyperscale-Fähigkeiten stärken. Die beinhaltet europäische KI-Stacks, Compute-Kapazitäten und Edge-Netze.
  2. Offene Standards priorisieren. Notwendig um Abhängigkeiten zu minimieren und Innovationen breiter zugänglich zu machen.
  3. Souveräne Identitäts- und Datenräume etablieren: Es gibt sie ja schon zumindest konzeptuell in Form von GAIA-X, EUDI Wallet, Data Spaces.
  4. Europa als Hochsicherheits- und Datenschutzraum nutzen. Wir sollten dies nicht als regulatorische Last, sondern als globalen Wettbewerbsvorteil sehen.
  5. Industrie, Forschung und Start-ups strategisch vernetzen. Dies muss jetzt statt fragmentierter, nationaler Initiativen ohne kritische Masse erfolgen.

Europa braucht ein eigenes Tech-Narrativ

Europa muss eine eigene technologische Erzählung entwickeln, die seinen Anspruch auf digitale Selbstbestimmung unmissverständlich definiert. Nicht nur die technologische Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des Kontinents muss sichtbar gemacht werden, sondern auch eine klare strategische Orientierung formuliert werden, wie Forschung, Industrie, Start-ups und Politik gemeinsam digitale Souveränität aufbauen, globale Abhängigkeiten reduzieren und Europa langfristig als gestaltende Kraft im internationalen Technologiewettbewerb positionieren können.

  • Die USA erzählen Macht durch Innovation.
  • China erzählt Macht durch Skalierung.
  • Europa erzählt leider viel zu oft über Probleme statt über Ambition.

Wenn Europa im globalen Wettbewerb bestehen will, braucht es eine klare Zukunftsvision, die über Reaktion hinausgeht.

Digitale Souveränität ist kein politisches Projekt – sie ist ein industriepolitisches Überlebensprogramm.

Die Frage ist nicht, ob Europa technologisch relevant bleiben kann. Die Frage ist, ob wir in Europa bereit sind, die Erzählung zu drehen und die Infrastruktur dafür aufzubauen.

Die „National Security Strategy“ der USA (lesenswert und erschreckend)

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